Waldkindergarten: Eine Alternative zum Regelkindergarten

Viele Kinder lieben die Natur.

Kinder spielen im Wald

Jeden Tag draußen auf der Suche nach neuen Abenteuern: Für manch kleine Entdecker bleibt es ein Traum, für die Kinder eines Waldkindergartens ist es die Wirklichkeit. Die naturbetonte Kindergartenform findet in Deutschland immer mehr Anhänger. Mittlerweile gilt der Naturkindergarten als bekannte Alternative zum Regelkindergarten.

Was ist ein Waldkindergarten?

Ein Waldkindergarten ist ein Kindergarten, in dem die Kinder nur draußen spielen: Es gibt einen Bauwagen oder eine Hütte, in denen die Kinder und Erzieher bei schlechtem Wetter Unterschlupf suchen. Sonst hält sich die Gruppe immer draußen auf – ohne Spielzeug. In den meisten Waldkindergärten spielen die Kinder mit dem, was die Natur hergibt.

Die Idee des Waldkindergartens stammt aus der Freiluftbewegung in Skandinavien. In den 50er Jahren entstand dann der erste Naturkindergarten in Dänemark. 1993 öffnete der erste staatlich anerkannte Kindergarten in Deutschland seine Pforten. Mittlerweile gibt es mehr als 1 000 Waldkindergärten in Deutschland – oft von Elterninitiativen ins Leben gerufen. Die meisten Waldkindergärten befinden sich an Waldstücken oder großen Parkanlagen.

Kinder machen einen Ausflug in den Wald.

In einem Waldkindergarten sind die Kinder jeden Tag draußen. Foto: © kristall – Fotolia.com

Dabei entwickelten sich zwei Arten von Waldkindergärten: Bei der reinen Form des Waldkindergartens bleiben die Kinder immer draußen. Allerdings nicht länger als sechs Stunden, da die Kleinen sonst laut Gesetz Schlafmöglichkeiten brauchen. So betreuen die Erzieher in den meisten Naturkindergärten die Kinder oft nur über einen sechsstündigen Zeitraum. In der integrierten Form geht der Waldkindergarten Hand in Hand mit einem Regelkindergarten. Die Erzieher gehen dann beispielsweise mit ihren Schützlingen an einem Tag in der Woche in den Wald.

Der Tagesablauf eines Waldkindergartens läuft ähnlich dem eines Regelkindergartens ab: Es gibt einen Morgenkreis, gemeinsames Frühstück, Freispielmöglichkeiten sowie ein pädagogisches Programm. Im Waldkindergarten bieten sich dabei oft Naturerlebnisse an: Die Kinder lernen beispielsweise in den Waldgruppen spielerisch Vogelarten oder Blättersorten kennen.

Neugierig geworden? Britta Schäfer arbeitet am Deutschen Jugendinstitut als wissenschaftliche Referentin. Sie schrieb ihre Abschlussarbeit über die Lebenswelt von Kindern in einem Waldkindergarten und beantwortet Fragen rund um das Thema.

Für wen ist der Waldkindergarten geeignet?

Schäfer: Ein Waldkindergarten ist für die Kinder geeignet, deren Eltern Natur nicht so mögen. Der Bedarf an frischer Luft ist für Kinder gedeckt, wenn sie den ganzen Tag draußen verbringen. Eltern können da ruhig von sich ausgehen: Will ich selbst mit meinem Kind die Natur entdecken und habe ich die Zeit dafür? Dann ist ein Regelkindergarten ausreichend, da gehen die Kinder ebenso raus auf den Hof.

Eltern sollten sich darüber hinaus fragen: Was wollen sie von einer Betreuungseinrichtung? Sie kann nicht alles erfüllen. Eltern setzen am besten Prioritäten und schaffen Zuhause einen Ausgleich. Wenn ich lieber drinnen mit meinem Kind spiele, dann ist der Waldkindergarten ideal. Er deckt das ab, was ich selbst nicht leisten will oder kann. Genauso sollten Sie Ihr Kind mit einbeziehen. Fragen Sie Ihr Kind und akzeptieren Sie seine Antwort. Viele Kinder lieben es, draußen zu spielen. Andere Kinder sind damit überfordert.

Bringt ein Waldkindergarten meinem Kind Vorteile?

Schäfer: Es ist erwiesen, dass die sprachlichen Fähigkeiten von Waldkindergarten-Kindern sehr ausgeprägt sind, da die Kinder beim Spielen permanent kommunizieren müssen. Das liegt daran, dass sie in der Natur kein vorgegebenes Spielzeug haben. Die Kinder schaffen erst aus vorhandenem Material Spielsituationen: „Dieser Stock ist jetzt ein Schwert oder ein Zauberstab.“

Natürlich überlegt sich ein Kind mit einer Barbie ebenso Handlungsstränge, aber in der Natur ist das Imaginieren viel umfassender. Die Fantasie der Kinder wird in der Natur viel stärker angeregt. In der sprachlichen Entwicklung sind sie deshalb besser als ihre Altersgenossen im Regelkindergarten.

Im Waldkindergarten gehen die Kinder außerdem immer an verschiedene Orte: Ein Baum ist umgefallen und das gibt eine neue Welt für die Kinder. Das fördert ebenso Flexibilität und die Sinneswahrnehmung. Die Motorik wird anders gefordert, wenn die Untergründe oft wechseln: Das Kind muss sich anders bewegen, anders balancieren.

Darüber hinaus legen viele Waldkindergärten in ihrem pädagogischen Ansatz Wert auf Selbstständigkeit: Die Kinder lernen ihre eigenen Stärken kennen. Die Kleinen klettern ohne Hilfestellung auf die Bäume. Ihnen wird nicht geholfen, sie machen das alleine. Die Erzieher sagen: „Du kletterst so hoch wie du kannst.“

So entwickeln sie ein Gefühl für die eigenen Stärken und Grenzen. Mit drei Jahren lernen die Kinder im Waldkindergarten schnitzen. Es ist immer ein Erzieher dabei, aber es gibt keine Anleitung von den Erwachsenen. Ich finde diese Autonomie sehr positiv, sie lässt Kinder experimentieren.

Die Kinder haben ebenso mehr Kontakt mit sozialen Gruppen. Stichwort Verinselungstheorie: Kinder verbringen heutzutage ihre Zeit vermehrt in geschlossenen Räumen, isoliert von Natur und anderen Menschen. Im Waldkindergarten – vor allem bei denen in den Parkanlagen – treffen die Kinder auf Jogger, Hundehalter, Mütter und Rentner. Die gehören da dazu.

Und die Kinder reden mit ihnen, besonders mit den Hundebesitzern. Man trifft sich ja immer wieder und kennt sich schon teilweise. Es ist keine in sich gekehrte Gruppe, sondern die Kinder lernen, dass sie in einem geteilten Raum leben, den verschiedene Menschen nutzen.

Wie funktioniert ein Waldkindergarten?

Schäfer: Die meisten Waldkindergärten beruhen auf Elterninitiativen. Das heißt, dass die Eltern über Struktur, Programm und Konzept entscheiden. Dabei gibt es oft Änderungen, weil viele Eltern beteiligt sind und die Besetzung dementsprechend wechselt. Jeder wünscht sich, die Kinder in irgendeinem Bereich zu fördern. Ich war in einem Waldkindergarten, der sehr viel Programm hatte. Die hatten beispielsweise zusätzlichen Kunst- und Musikunterricht. Da stellt sich die Frage: Was ist zumutbar? Brauche ich das alles?

Ich würde appellieren, dass die Eltern Vertrauen haben, dass die Kinder sich positiv entwickeln. Die Grundvoraussetzungen für eine positive Kindesentwicklung sind eigentlich einfach: Kinder brauchen ein stabiles Umfeld und Geborgenheit. Da ist die Frage, brauchen die dann in dem Alter schon Englisch und andere Zusatzausbildungen?

Gibt es negative Seiten?

Viele Eltern haben Angst vor einem schlechtem Abschneiden, wenn das Kind eingeschult wird. Das ganze Schulsystem ist sehr leistungsorientiert. Ich würde Eltern ermutigen, dass sie den Kindern mehr vertrauen und zutrauen.

Aber je näher die Einschulung rückt, desto panischer werden die Eltern. Man lernt im Waldkindergarten nicht unbedingt Sachen, die in der Schule verlangt werden. Manche Eltern sagen: „Mein Kind kann ja noch gar keine Schere benutzen.“ Aber dafür kann es schnitzen. Man merkt: Den Eltern ist es wichtig, dass die Kinder in der Schule zu Recht kommen.

Die Eltern wollen Kinder immer mehr behüten. Die Geburtenrate geht zurück, viele bekommen dann nur ein Kind und das ist dann was Besonderes. Darüber hinaus erfüllen sich viele Paare ihren Kinderwunsch immer später und richten dann vor allem in der Erziehung viel mehr den Fokus darauf. Mehr Gelassenheit würde ihnen und ihren Kindern gut tun.

Von Lisa Mayerhofer

Foto oben von: © coldwaterman – Fotolia.com

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Kategorien: Kinder und Natur